Spezielle Fälle aus der Praxis
Der Blick ins Pferdemaul

Viele Pferdebesitzer haben sich schon gefragt, wie es wohl in einem Pferdemaul aussieht. Warum muss der Tierarzt dem Pferd regelmässig die Zähne schleifen?
Pferdezähne haben ein schweres Leben! Gehen wir davon aus, ein Pferd hat das Glück 25 Jahre alt zu werden. In dieser Zeit zerreiben seine Zähne ungefähr 70 Tonnen Heu oder anders ausgedrückt 3800 Heuballen! Eine gewaltige Leistung.


Die genial konstruierten Backenzähne bilden im Pferdemaul zwei gegenüberliegende lange Kauflächen, mit der Oberflächenstruktur wie Raspeln. Dazwischen wird das harte Futter in kleine Bestandteile zerrieben.
Die Zähne sind zu Beginn ca. 5cm lang, der grösste Teil davon liegt verborgen in den Zahnfächern. Nur ein kurzer Teil der Zähne ist sichtbar.
Auch der härteste Zahn wird durch die hohe Belastung abgerieben und dadurch kürzer. Davon merkt das Pferd nichts, weil der Zahn aus dem Zahnfach zeitlebens rausgeschoben wird.
Bei einem korrekten Gebiss wie diesem, gibt es nicht viel zu raspeln.
Nicht immer passen aber die oberen und unteren Kauflächen genau aufeinander und so bleiben zum Beispiel zuhinterst grosse, spitze Hacken stehen.

Da es sich bei diesem Tier um einen Esel handelte, war es sehr schwierig mit dem Werkzeug an die enge Stelle zuhinterst im Maul zu gelangen.
Die definitive Korrektur gelang erst bei der zweiten Sitzung mit speziellen Werkzeugen.


Auch unsere Pferde werden immer älter und irgendwann ist auch der stabilste Zahn weggerieben. Die Oberfläche des letzten Zahnrestes wird glatt, die Wurzel immer kürzer, bis sie den Halt verliert und der Zahn ausfällt.
Dieses 27jährige Pferd hat im letzten Jahr die Hälfte der unteren Zähne verloren. Noch kann es fressen, später wird es auf Spezialfutter angewiesen sein.


Dieser Backenzahn hat mir unser Pferd Leopold (25jährig) eines Morgens vor die Füsse gespuckt.
Auch mit diesem Gebiss eines 22jährigen Ponys ist das Fressen schwierig. Die Zähne bilden nicht mehr eine ebene Raspelfläche. Sie sind unterschiedlich hoch, man spricht von einem sogenannten Wellengebiss. Korrekturen sind hier nur noch marginal möglich.
Noch eine wichtige Bemerkungen zu Zahnbehandlungen bei Pferden:
Um Pferdezähne bis zuhinterst richtig zu untersuchen und zu behandeln ist ein Maulgatter und eine Sedation zwingend nötig. Auch zur Sicherheit der Hilfspersonen und des Tierarztes!
Korrekte Pferdegebisse brauchen nicht zwingend eine jährliche Behandlung. Bei Pferden mit Fehlstellungen macht es aber Sinn, jährlich, in gravierenden Fällen allenfalls halbjährlich zu kontrollieren.

Ich gehe folgendermassen vor: anlässlich der ersten Behandlung gebe ich eine Empfehlung ab, ob eine Kontrolle nach einem, zwei oder allenfalls drei Jahren erfolgen muss.
Wir müssen folgendes beachten: mit jedem Raspeln kürzen wir den Zahn ein wenig. Durch undifferenziertes Feilen, nur weil wieder ein Jahr um ist, nehmen wir dem Pferd unter Umständen die Chancen auch im hohen Alter noch ein funktionsfähiges Gebiss zu haben.
Hier noch zwei Bilder, um zu illustrieren, wie sich ein schlechtes oder gutes Gebiss für das Pferd auswirken kann. Zwischen dem ersten und zweiten Bild liegen 2 Monate und eine Zahnbehandlung (plus ein Fellwechsel)!

