Was steckt hinter einer Pferdeoperation?

Vermutlich waren die wenigsten Pferdebesitzer je bei einer Pferdeoperation dabei. Vor einigen Jahren war unser Pferd Porteño vorne rechts lahm und musste im Bereich der Fesselbeugesehnenscheide operiert werden.
Anhand dieser OP möchte ich einen Einblick geben, wie viel Aufwand hinter einer solchen Pferdeoperation steckt.
Die Operation wurde 2020 am Tierspital Zürich durchgeführt.

Porteño ist sediert und mit einem Kopfschutz bereit. Die Anästhesistin leitet die Narkose ein.

Porteño verliert das Bewusstsein und gleitet ruhig zwischen den beiden Wänden zu Boden.

Die eine Wand wird weggeklappt.

Porteño liegt jetzt auf der Seite.

Porteño ist bereit für die Intubation. Ein ungefähr 4-5 cm grosses Gummirohr wird durch das Maul und den Kehlkopf in die Luftröhre vorgeschoben.

Durch den Tubus werden während der Operation die Narkosegase in die Lunge geleitet. Auf diese Art kann die Narkose mehrere Stunden aufrechterhalten werden.

Porteño wiegt fast 600 kg. Er wird mit einem Kran auf den OP-Tisch gehoben.

In Seitenlage wird Porteño auf dem Tisch in den Operationsraum geschoben und ans Narkosegerät angeschlossen.

Die Beine müssen richtig positioniert werden um zu verhindern, dass Druckstellen und Muskelschäden entstehen.

Jetzt werden alle Narkosemonitore, Spritzenpumpen und Infusionen angeschlossen.

Mit einer Esmarch-Binde wird das Blut aus dem Operationsgebiet gepresst. Anschliessend wird das Operationsgebiet für den Eingriff gewaschen und desinfiziert.

Die Narkose wird ständig von der Anästhesistin überwacht. Die Steuerung der Pferdenarkose ist sehr schwierig.

Das grosse Gewicht, das hohe Atem- und Blutvolumen sorgen dafür, dass Dosisanpassungen nur sehr langsam wirksam werden. Um niemanden zu verletzen, darf sich das Pferd unter keinen Umständen bewegen. Trotzdem darf die Narkose nicht zu tief sein. Dies würde zu einem tiefen Blutdruck führen. Dadurch würde die Muskulatur zu wenig durchblutet und unter dem hohen Eigengewicht des Pferdes Schaden nehmen.

Am Monitor können EKG, Blutdruck und weitere wichtige Parameter überwacht werden.

Das Operationsgebiet ist steril vorbereitet und eingepackt.

Jetzt beginnt die Arbeit des spezialisierten Pferdechirurgen.

Mit speziellen optischen Instrumenten wird das Innere der Sehnenscheide untersucht



Hier Bilder aus dem Inneren der Sehnenscheide. Mit diversen schneidenden und «Knabbernden» Instrumenten wurde das Fesselringband durchtrennt und eine veränderte Struktur aus der sogenannten «Manica flexoria» entfernt.
Alle, denen «Manica flexoria» nichts sagt, kann ich beruhigen: ich hatte sie auch nicht gekannt. Diese Struktur kann man am lebenden Pferd nur in der Sehnenspiegelung untersuchen. Die Anzahl Chirurgen, die das können ist begrenzt!

Hier das Corpus Delicti. Mit dessen Entfernung ist die Lahmheit von Porteño geheilt und er kann seither wieder normal eingesetzt werden.

Dazu muss er aber erst wieder aufwachen. Wie er reingekommen ist, geht es wieder raus.

Porteño nimmt jetzt die Abzweigung in die Aufwachboxe, eine grosse Gummizelle.

Porteño wird in eine stabile Seitenlage verbracht. Pferdeanästhesie braucht viel «Manpower», sorry die Damen.

Die Aufwachphase ist der gefährlichste Teil der Pferdenarkose. Kopfschutz und Beinschoner verhindern das Schlimmste, die Anästhesistinnen dosieren mit der Spritze gewisse Anästhetika nach, damit das Pferd möglichst ruhig aufsteht.

Jetzt ist Porteño sich selber überlassen.
Pferde sind Fluchttiere! In dieser Situation ist dies die falsche Taktik. Die Anästhetika verlieren ihre Wirkung nur langsam. Steht das Pferd zu früh auf, kann es das Gleichgewicht nicht halten und kann ganz schlimm stürzen.
In dieser Phase können wir Tierärzte nur noch zusehen. 600 kg stürzendes Pferd könnten wir nicht auffangen, es würde uns erschlagen!

Porteño kennt das Lehrbuch. Er begibt sich zuerst in Brustlage, bis er wieder klar denken kann.

Erstes Bein vorstellen, wieder warten.

Jetzt sammeln!

Geschafft!
Porteño ist in einem Anlauf aufgestanden, ohne wieder umzufallen.
Gut gemacht.

Herzlichen Dank meinen Freunden von der Pferdechirurgischen Klinik des Tierspitals Zürich für ihren super Job!